Quelle: Unsplash (Solen Feyissa)
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Biden und Big Tech – Eine Hassliebe zwischen Washington und dem Silicon Valley
18.12.20
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Biden und Big Tech – Eine Hassliebe zwischen Washington und dem Silicon Valley
18.12.2020

Biden und Big Tech – Eine Hassliebe zwischen Washington und dem Silicon Valley

Die Beziehung zwischen Washington und dem Silicon Valley war unter Trump oft konfrontativ. Wird man sich unter Biden wieder annähern oder drohen weitere Klagen gegen Big Tech?

In unserem Blog-Beitrag vom 17. Juli 2020 zum Thema «Fake News» verwiesen wir bereits auf US-Präsident Donald Trump und wir berichteten, wie er die bekannte «Section 230»-Klausel mittels einer weitreichenden Verfügung infrage stellte. Es ging darum, dass soziale Netzwerke wie Facebook für die Inhalte, die von Nutzern erstellt wurden, bisher nicht haftbar gemacht werden können. Diese Fehde mit dem Silicon Valley durfte eindeutig als Angriff gegen die sozialen Medien verstanden werden. Um die Klausel ist es unterdessen etwas ruhiger geworden. Erst im Oktober eröffnete das US-Justizministerium allerdings gegen den Tech-Giganten Google ein Kartellverfahren – ein weiterer Angriff gegen Big Tech. Nur wenige Wochen später traf es Facebook: Die US-Handelskommission fordert zusammen mit 48 US-Generalstaatsanwälten/-innen die Untersuchung eines möglichen Monopolmissbrauchs des Konzerns mit Instagram und WhatsApp. Insgesamt ist der Umgang mit Big Tech unter Trump also deutlich weniger freundlich als noch unter Obama.

Derweil kamen diese Woche die US-Wahlleute – das Electoral College – zusammen. Knapp sechs Wochen nach der Präsidentschaftswahl bestätigten die Wahlleute den Sieg Joe Bidens. Mit etwas Unbehagen blickt das Silicon Valley nun nach Washington. Während seiner Wahlkampagne zeigte sich Biden relativ zurückhaltend im Bezug auf die Tech-Industrie und möglichen illegalen Machenschaften. Trotzdem wird allgemein erwartet, dass sich auch die Regierung unter Biden gegenüber Big Tech konfrontativ positionieren wird.

So vermuten viele Insider auch zukünftig einen harten Kurs gegen die grossen Technologieunternehmen. Erst im Januar machte Biden in einem langen Interview mit der New York Times deutlich: „Ich war nie ein grosser [Mark] Zuckerberg Fan. Ich denke, er ist ein echtes Problem“. Konkret forderte damals auch Biden, dass die «Section 230»-Klausel aufgehoben wird. Ausserdem verlangt er die strenge Überwachung von Kartellmachenschaften und Privatsphärenmissbrauch durch Facebook und Co.. Es ist folglich nicht überraschend, dass Zuckerberg seinerseits öffentlich mit Trump sympathisierte. So soll für den Facebook-Gründer mindestens ein Abendessen im Weissen Haus organisiert worden sein. Auch stellte sich Zuckerberg auf Trumps Seite, als sich der amtierende US-Präsident gegen Twitter aussprach.

Während Bidens Unmut gegenüber Zuckerberg und seiner Firma offensichtlich ist, rechnen zahlreiche Experten damit, dass auch die drei anderen Tech-Giganten (Amazon, Apple, und Google) unter der neuen Regierung eingehend untersucht werden. Es ist allerdings wichtig anzumerken, dass Biden nicht direkt darin involviert sein wird. Vielmehr wird es entscheidend sein, wen er als Führungspersonen der verschiedenen Behörden nominiert.

Auch die Prioritätensetzung der neuen Regierung wird dafür ausschlaggebend sein, was Big Tech befürchten muss. Trotz der erwarteten harten Gangart gegenüber Zuckerberg und seinen Kollegen, glauben viele Experten, dass Biden erst wichtigere Traktanden angehen will, insbesondere die Corona-Pandemie, den Klimawandel und die weltweit kriselnde geopolitische Lage.

Auch die Tatsache, dass viele Funktionäre um Biden einen Tech-Hintergrund haben, erheitert die Stimmung in den Chefetagen der Tech-Giganten. Das war unter Obama nicht anders und half wohl dem guten Verhältnis zwischen Washington und dem Silicon Valley. Insbesondere die gewählte US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat einen guten Draht zu Schlüsselpersonen wie Facebook COO Sheryl Sandberg. Der ehemalige Google CEO Eric Schmidt war gar einer der wichtigsten Geldgeber der Biden-Wahlkampagne. Die Nonprofit-Organisation The Revolving Door belegt die insgesamt gute Beziehung der Demokraten und Big Tech mit eindrucksvollen Daten: 55 ehemalige Google Mitarbeiter waren Teil der Obama-Regierung, 197 ehemalige Obama-Mitarbeiter fanden später eine Stelle bei Google.

Insgesamt ist es unseres Erachtens also fraglich, inwiefern sich Big Tech wirklich vor radikalen Sanktionen fürchten muss. Dass in naher Zukunft Konzerne aufgebrochen werden ist unwahrscheinlich. Selbst wenn weitere Untersuchungen eingeleitet würden, werden die Technologie-Unternehmen nicht kampflos einlenken und die Verhandlungen über mehrere Jahre in die Länge ziehen. Unbestritten ist allerdings, dass seit Obama die Skepsis gegenüber dem Silicon Valley seitens der US-Regierung als auch seitens der Gesellschaft grösser geworden ist.

 

Fehrensen, M. & Hurtz, S. (2020, December 11). Der Anfang vom Ende von Facebook, wie wir es kennen?. Social Media Briefing.

Fung, B. (2020, November 10). Big Tech shouldn’t breathe a sigh of relief over Biden. CNN Business.

Guo, E. (2020, November 10). What Biden means for Big Tech – and Google in particular. MIT Tech Review.

Kingsbury, K. (2020, January 17). The Editorial Board: Joe Biden – Former vice president of the United States [Interview]. The New York Times.

Naughton, J. (2020, November 21). If you think Biden’s administration will rein in big tech, think again. The Guardian.

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