Quelle: Unsplash, AbsoluteVision
Header
Fake-News haben Hochkonjunktur – Wie wahren Investoren den Überblick?
17.07.20
1 / 1
Fake-News haben Hochkonjunktur
17.07.2020

Fake-News haben Hochkonjunktur – Wie wahren Investoren den Überblick?

Seit Beginn der Coronakrise wird im Netz eifrig diskutiert. Häufig beruht die Debatte allerdings auf Desinformation. Wie können Anleger den Überblick wahren und unaufgeregte, fundierte Entscheidungen treffen?

Sowohl die Coronakrise als auch die Black-Lives-Matter-Bewegung haben einmal mehr den weitreichenden Einfluss von Social Media auf unseren Alltag zutage gebracht. Wenn Menschen emotional sind und ein Smartphone in der Hosentasche tragen, verbreitet sich Entrüstung in Windeseile. Auf den Netzwerken wird fleissig debattiert – oft allerdings auf der Basis falscher Informationen. Dies dürfte auch für die kommende Präsidentschaftswahl in den USA von grosser Bedeutung sein. Wie können Anleger in diesem Informationschaos den Überblick wahren?

Über Social Media Plattformen geteilte und organisierte Protestaufrufe stellen Unternehmen wie Facebook, Google und Twitter auf den Prüfstand, Fehlinformationen konsequent aus dem System zu filtern. Die Herausforderung ist dabei zweidimensional: Einerseits muss zwischen echten Usern, Fakes und sogenannten Bots, also weitgehend automatisierten Scheinprofilen, unterschieden, andererseits eindeutige Fehlinformation gefiltert werden. Problematisch ist vor allem die Dynamik, wenn sich die beiden Dimensionen vermischen: Fake-Profile streuen oft bewusst Fehlinformationen, die dann von echten Usern weiter geteilt werden und damit glaubwürdiger erscheinen und sich so noch weiter verbreiten. Es entsteht eine unaufhaltsame Feedback-Loop.

Bespielhaft für diese Dynamik war der vermeintliche Kommunikationsblackout in Washington D.C. Ende Mai, als Hunderttausende wegen dem Tod George Floyds auf die Strasse gingen. Ein Fake-Profil mit nur drei Abonnenten verkündete auf Twitter, dass die Behörden sämtliche Kommunikationskanäle der Protestierenden geblockt hätten. Man machte sich dabei gar erschreckendes, aber unechtes Videomaterial aus Fernsehserien zunutze und wirkte auf viele Aussenstehende glaubhaft. Das Hashtag #DCblackout verbreitete sich wie ein Lauffeuer und generierte in wenigen Stunden mehr als eine halbe Million Retweets – anfänglich primär von anderen Fake-Profilen, später auch durch echte Nutzer der Plattform. Wichtige und vor allem richtige Information zu den Protesten geriet in Zuge dessen zunehmend in den Hintergrund. Erst nachdem Twitter hunderte Fake-Profile sperrte und einige Ortsansässige mit dem Hashtag #DCsafe die Falschmeldungen entkräfteten, konnte die Manipulation aufgedeckt werden.

US-Präsident Donald Trump machte zur selben Zeit von sich Reden, als er in einer Trotzreaktion Twitter den Kampf ansagte und eine weitreichende Verfügung zur Regulierung von Social Media Plattformen unterzeichnete. Die Netzwerke verunmöglichten die Meinungsfreiheit und würden eine eigene politische Agenda verfolgen, lautete der Vorwurf, nachdem Twitter einen fragwürdigen Tweet Trumps auf den Wahrheitsgehalt prüfte. So stellt Trumps Verordnung die bekannte «Section 230»-Klausel infrage, die bestimmt, dass soziale Netzwerke für die Beiträge ihrer Nutzer nicht haftbar sind. Die Plattformen ihrerseits warnen vor den wirtschaftlichen Folgen und der drohenden Zensurwelle von Userbeiträgen, sollte die Verordnung umgesetzt werden. Es ist paradox, dass Trump gegen Twitter wettert, ist er doch auf den Kurznachrichtendienst angewiesen, wenn er die ihm verhasste Presse umgehen will. Wie sich diese Fehde weiterentwickeln wird, ist gerade mit Blick auf die kommende Präsidentschaftswahl Anfang November spannend.

Auch COVID-19 blieb nicht von manipulierendem Missbrauch auf den sozialen Netzwerken verschont. Pseudowissenschaftliche Fake-News haben Konjunktur: Bewusste Falschmeldungen zu Fallzahlen verbreiten sich schneller als das Virus selbst. Verschwörungstheoretiker nutzen dabei auf perfide Weise die herrschende Unsicherheit in der Bevölkerung, um ihre dubiosen Weltanschauungen zu vermitteln. So sollen etwa Bill Gates, die amerikanische Gesundheitsbehörde oder gar Verfechter des Mobilfunkstandards 5G hinter der Pandemie stecken. Die vermeintlichen Anschuldigungen sind mannigfaltig und finden überraschend grossen Anklang. Facebook suchte früh Unterstützung durch unabhängige Faktenchecker, die fragwürdige Posts zwar nicht löschen, aber mit Warnhinweisen versehen. Der Erfolg dieser Massnahme war bemerkenswert: 95% der User klickten nicht auf die gekennzeichneten Beiträge.

Trotzdem stehen Techgiganten wie Twitter, Facebook und Google vor einem offensichtlichen Dilemma: Bevormundet man die User und zensiert ihre Beiträge oder lässt man Konspiration gewähren? Hinzukommt, dass die Beitragsqualität mittel- bis langfristig auch die Daseinsberechtigung dieser Firmen beeinflusst. Nur wenn die veröffentlichten Inhalte grossmehrheitlich wahrheitsgetreu sind und einen Mehrwert bieten, werden sich User auch zukünftig über diese Kanäle informieren.

Fake-News und fragwürdige Berichterstattungen betreffen auch Investoren. So haben beispielsweise Trumps Twitter-Beiträge unzählige Male kurzfristige Kursschwankungen ausgelöst, stellten sich inhaltlich aber oft als haltlos heraus. Klar ist: Anleger dürfen sich weder von Desinformation noch von Emotion leiten lassen. Dass man wichtige Informationen nicht primär von sozialen Netzwerken beziehen sollte, dürfte auch bekannt sein. Trotzdem tangieren Fake-News auch den Alltag rationaler Anleger und beeinflussen diese oft unbewusst. In Krisenzeiten ist es umso wichtiger, einen kühlen Kopf zu wahren und Informationen aus verschiedenen und verlässlichen Quellen zu nutzen.

Deshalb sollte bei der Unternehmensrecherche, wenn immer möglich, auf Primärquellen zurückgegriffen werden. So sind Investoren beim «Desk Research» grundsätzlich gut beraten, sich an den offiziellen Publikationen der jeweiligen Unternehmung zu orientieren (z.B. Quartals- und Jahresberichte, Management-Calls oder Ad-hoc-Präsentationen während der Coronakrise). Diese sollten nach bestem Wissen und Gewissen des Managements der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Firma entsprechen. Jahresberichte börsenkotierter Unternehmen werden zudem von unabhängigen Wirtschaftsprüfern vor der Herausgabe geprüft und gegebenenfalls korrigiert. Für Hintergrundberichte im Finanzbereich empfehlen sich Fachzeitungen und unparteiische Tageszeitungen. Für Aktualitäten greift die AarauInvest AG primär auf folgende Zeitungen und Magazine zurück: Neue Zürcher Zeitung, Finanz und Wirtschaft, Financial Times, Barrons, New York Times und Fortune. Trotz dem guten Ruf dieser Verlage gilt es, wichtige Informationen zu überprüfen – ganz nach Lenins Lieblingssatz: «Dowjerjaj, no prowjerjaj», vertraue, aber prüfe nach.

Auch «Field Research», also eigene, qualitative Beobachtung hilft, Trends zu erkennen oder unkonventionelle Geschäftsmodelle zu verstehen. Es dient zudem dazu, Gelesenes in der Realität zu überprüfen. Das beobachtete, unverfälschte Käuferverhalten liefert nämlich gerade bei retail-orientierten Unternehmen oft wichtige Erkenntnisse bezüglich Wachstumschancen, Optimierungspotentialen oder allfälligen Risiken, die nackte Zahlen alleine nicht zutage bringen.

Stets wichtig ist, bei der Anlagerecherche nicht der «Confirmation Bias» zu verfallen, also nur Meinungen zuzulassen, die die eigenen Ansichten widerspiegeln. Die taoistische Maxime, dass nur gegensätzliche Erkenntnisse die ganze Wahrheit bilden können, ist also für Investoren ein dienlicher Ansatz. Anleger sollten sich auch ein Beispiel am Evolutionsforscher Charles Darwin nehmen, der dafür bekannt war, ganz bewusst «Disconfirming Evidence», also Beweise, die seine eigenen Theorien widerlegen, zu suchen. Man kann als Anleger nie genug lesen, denn nur so kann man sich eine wirklich fundierte Meinung zu allfälligen Risiken bilden. Warren Buffett fasst dies folgendermassen zusammen: «Read 500 pages everyday. That’s how knowledge works. It builds up, like compound interest».

Zurück zur Übersicht
Fake-News haben Hochkonjunktur
1 / 1