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Superprognostiker
22.01.19 Giovanni Fedrigoli
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Superprognostiker
22.01.2019

Superprognostiker

Giovanni Fedrigoli
Partner und Mitglied der Geschäftsleitung, VR-Mitglied
Giovanni Fedrigoli

Wir fällen für die AarauInvest Kunden wichtige finanzielle Entscheide, die auch von unseren zukünftigen Erwartungen abhängen.

Wir haben anhand von unseren Erfahrungen, Kenntnissen, Ausbildungen und wertvollen Tipps von Dritten ein eigenes System entwickelt, das uns hilft, gut durchdachte Anlageentscheide zu fällen. Wir sind bestrebt, unser System laufend zu verbessern und suchten darum weitere wissenschaftlich geprüfte Ratschläge, wie man systematisch gute Prognosen erarbeiten kann. Auf der Literatursuche zu diesem Thema habe ich ein lehrreiches Buch mit dem Titel „super forecasting – Die Kunst der richtigen Prognosen“ gefunden. Das Buch wurde vom Professor und Psychologen Philip E. Tetlock und vom Journalisten Dan Gardner geschrieben. In einem grossangelegten Forschungsprojekt sind die beiden Herren unter anderem der Frage nachgegangen, wie man gute Voraussagen erarbeiten kann.

In diesem Bericht widmen wir uns zwei Fragen zum Thema Prognosen, die im Buch ausführlich thematisiert werden: Wie kann man systematisch gute Prognosen erstellen und welche Menschen haben die besten Voraussetzungen gute Prognostiker zu sein?

Zur Beantwortung der ersten Frage empfehlen Mr. Tetlock und Mr. Gardner komplexe und wichtige Fragen in einzelne Bestandteile zu zerlegen. Das heisst, die Frage wird in viele Fragen heruntergebrochen und dadurch mehr Transparenz geschaffen. Danach wird unterschieden, was beantwortet werden kann und was nicht. Alle Annahmen werden dabei hinterfragt. Es hilft, Fragen anhand von ähnlichen Phänomenen zu beantworten. Die eigene Sichtweise muss mit anderen Meinungen verglichen werden. Je mehr Meinungen und konstruktive Kritik, desto besser. Ein guter Prognostiker wägt die verschiedenen Argumente ständig gegeneinander ab und betrachtet seine Prognose oder Meinung aus einer gewissen Distanz. Die verschiedenen Sichtweisen werden zu einer Synthese oder Theorie zusammengebracht und daraus eine Prognose abgeleitet. Dieser ganze Prozess mit allen Gedankengängen und die daraus erarbeiteten Prognosen sollten schriftlich festgehalten werden, damit später die Argumentationen überprüfbar sind und Fehler erkannt werden. Die Annahmen, die einer Prognose zugrunde liegen, sollten laufend bewertet und hinterfragt werden. Dazu muss man immer auf der Suche nach Neuigkeiten sein, die die Prognose stützen oder widerlegen. Dieses kontinuierliche Abgleichen mit der eintretenden Realität ist ein ständiger Prozess, der zu einer schrittweisen Prozessoptimierung führt, bis die Verbesserungen an ihre Grenzen stossen.

Ob Prognosen im Nachhinein richtig oder falsch waren lässt sich nur beurteilen, wenn die Vorhersagen klar formuliert sind und Zeitangaben haben. Weil Vieles nicht mit absoluter Sicherheit prognostiziert werden kann, sind Wahrscheinlichkeitsangaben in Prozenten sinnvoll. So erkennt man, wie zuversichtlich und sicher der Prognostiker für seine Vorhersagen ist. Schwammige Prognosen, die mit Konditionalwörtern wie könnte, müsste, wäre etc. ausgeschmückt sind, bringen dem Leser nicht viel, da sie mit ihrer Unverbindlichkeit nicht messbar sind.

Menschen mit folgenden Charaktereigenschaften haben die besten Voraussetzungen, gute Prognostiker zu werden: Flexibel, selbstkritisch, offen, neugierig, kritikfähig, anpassungsfähig, ehrlich, pragmatisch, vorsichtig, fleissig, bescheiden, empathisch und verantwortungsvoll.

Wer flexibel ist, passt seine Meinung eher neuen Fakten an und beharrt nicht auf seinen ursprünglich gemachten Aussagen, die sich nicht bestätigen. Wer selbstkritisch ist, hinterfragt seine gemachte Arbeit und verspürt auch ein permanentes Bedürfnis sich zu verbessern. Offenheit ist wichtig, um Meinungen und Argumente Dritter aufzunehmen und zu verarbeiten. Neugierige Menschen sind meist auch gut informierte Leute, die laufend neue Ideen suchen und alles Mögliche verstehen wollen. Gute Prognostiker lechzen nach Gegenargumenten und wollen konstruktive Kritik um letztendlich möglichst gut durchdachte Vorhersagen ausarbeiten zu können. Anpassungsfähig muss man sein, da einst gemachte Annahmen laufend mit den neuesten Gegebenheiten verglichen und wenn nötig korrigiert werden müssen. Ein ehrlicher Mensch ist bereit, Fehler in seiner gemachten Arbeit einzugestehen und er beurteilt seine Leistungen rationaler. Wer pragmatisch ist, ist auch bereit, seine Prognosen komplett zu ändern, wenn die eintreffenden Tatsachen diesen eindeutig widersprechen. Ein vorsichtiger und fleissiger Mensch konsultiert möglichst viele Quellen und verarbeitet viele Informationen, bis er eine endgültige Meinung abgibt. Ein bescheidener Mensch hält nicht an seiner offensichtlich falschen Prognose fest, um als Sieger in der Gruppe dazustehen. Empathie ist wichtig, um die Gedankengänge und Schlussfolgerungen von anderen Menschen zu verstehen und um sie akzeptieren zu können. Verantwortungsvolle Menschen sind sich bewusst, dass gewisse Entscheide und Prognosen ernsthafte Konsequenzen für andere haben werden (z.B. in der Politik).

Abschliessend finden wir folgende Erkenntnisse dieser beiden Herren wertvoll: Ein guter Prognostiker zu sein ist nicht eine Frage des Talents oder eine Fähigkeit, die einem in die Wiege gelegt wird. Es ist vielmehr das Resultat bestimmter Denk- und Vorgehensweisen, die sich mit Einsatz erlernen lassen.

(“Superprognostiker”: Ausschnitt aus dem AarauInvest Newsletter, den Sie unter Newsletter finden)

AarauInvest AG, 22. Januar 2019

 

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