Kenia droht im Plastikabfall zu versinken
Die amerikanische Erdölindustrie sucht nach neuen Märkten und treibt die Plastikproduktion voran. Wird Kenia zum Endlager für die Abfälle?
40’000 US-Dollar oder vier Jahre Gefängnis; das riskieren Kenianer, die Plastiktüten produzieren, verkaufen oder bloss benutzen. Aufgrund der enormen Umweltverschmutzung verabschiedete die Regierung in Nairobi 2017 ein stringentes Plastiktütenverbot – der englische Guardian berichtet gar vom strengsten Bann weltweit. Damit schloss sich das afrikanische Land rund 40 anderen Ländern an, die bereits davor Plastikmüll mittels harter Strafen zu bekämpfen versuchten. In den letzten drei Jahren zeigte das neue Gesetz Wirkung; den Plastiksündern wurde das Handwerk gelegt und die lokale Umwelt konnte entlastet werden. Das Land ist stolz auf seine Vorreiterstellung.
In der Zwischenzeit ist viel passiert: Die Welt steckt in einer Krise. Nicht nur das Coronavirus belastet das Weltgeschehen, auch der Klimawandel schreitet unaufhaltsam voran. Unter anderem leidet auch die Erdölindustrie massiv unter der zunehmenden Verwendung von Alternativenergien und den immer schärferen Vorschriften zum Schutz der Umwelt. Die Londoner Denkfabrik «Carbon Tracker» geht davon aus, dass die Absätze für Erdöl bereits 2019 ihre Spitze erreicht hätten. Neben den fossilen Brennstoffen lässt sich aber auch mit der Plastikproduktion Geld verdienen. Dafür braucht es allerdings auch Abnehmer für die entstehenden Abfälle. Nun soll Afrika zur Müllhalde für Plastikabfälle umfunktioniert werden, so die Befürchtung vieler Umweltschutzorganisationen.
Dies steht im offensichtlichen Widerspruch zum erwähnten Gesetz. Tatsächlich steht die Erdölindustrie, seitdem China 2018 ein Importverbot für Plastikabfälle erliess, mit dem Rücken zur Wand. Denn die nordamerikanische Erdölbranche hat bereits mehr als 200 Milliarden US-Dollar in Plastik- und Chemiefabriken gesteckt. Die Krux ist so offensichtlich wie aussichtslos: Mehr Plastik soll produziert werden, um die fehlenden Umsätze durch fossile Brennstoffe zu kompensieren. Gleichzeitig will aber niemand als Endlager für die Abfälle fungieren, dafür ist das Recycling zu wenig lukrativ und die Belastung für die Umwelt kaum bewältigbar. Entsprechend ist das Lobbying der grossen Erdölkonzerne sowohl vor Ort als auch in Washington in vollem Gange. Das strenge Verbot soll im Zuge des ersten bilateralen Abkommen zwischen den USA und einem subsaharischen Land rückgängig gemacht werden.
Problematisch sind hierbei nicht nur die direkten Konsequenzen für Kenia, sondern die Tatsache, dass das Abkommen wohl als Mustervorlage für weitere Länder der Region gelten würde. Zudem könnte Kenia als Drehscheibe eingesetzt werden, von wo aus Plastikabfälle aller Art im Kontinent verteilt werden, denn Kenia alleine könnte die gigantischen Mengen Plastikmüll kaum bewältigen. Dies widerspricht dem Basler Übereinkommen, das die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen in ärmere Länder deutlich erschwert. Bis heute haben fast 190 Länder das Basler Übereinkommen unterschrieben, die USA gehören nicht dazu. Bemerkenswert ist dabei auch, dass die USA bis zu 16mal mehr Plastik konsumieren als viele Entwicklungsländer. Im ersten Halbjahr 2018 exportierten die USA mehr als 500’000 Tonnen Plastikmüll.
Man dürfe nicht zulassen, dass die Erdöl-Lobby in den USA über das lokale Gesetz gestellt werde, sind sich die Umweltschützer in Kenia einig. Selbst wenn das Übereinkommen berücksichtigt wird und die Plastikabfälle auf legalem Wege verschifft werden, landen sie oft nicht in Recycling-Anlagen sondern in Flüssen oder Seen, argumentieren sie. Trotzdem bleibt abzuwarten, wie die kenianische Regierung die Vorteile eines bilateralen Abkommens mit den USA bewertet und ob sie dem immensen Druck nachgibt. Präsident Uhuru Kenyatta ist jedenfalls erwartungsvoll und arbeitet eifrig auf einen Deal mit Washington hin.
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