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IPOs – oft kein Win-win-Geschäft
04.04.19 Giovanni Fedrigoli
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IPOs – oft kein Win-win-Geschäft
04.04.2019

IPOs – oft kein Win-win-Geschäft

Giovanni Fedrigoli
Partner und Mitglied der Geschäftsleitung, VR-Mitglied
Giovanni Fedrigoli

Frisch kotierte Aktien sind deutlich riskanter als Aktien von Gesellschaften, die schon lange an der Börse frei handelbar sind.

Medacta und Stadler Rail realisieren jetzt in unserem Lande ihr Going Public. Wie viele Unternehmen wagten im 4. Quartal 2018 den Gang an die Börse? In der Schweiz keine bedeutende (eine Immobiliengesellschaft, die innerhalb der Schweiz die Börse gewechselt hat und eine kleinere holländische Biotech-Gesellschaft).

Den Realisierungszeitpunkt eines IPOs richten leider viele Manager nach der Anlegerstimmung und nach dem Börsenverlauf. Bekannterweise tauchten die Aktienmärkte in den Monaten Oktober bis Dezember 2018 deutlich ab. Nachdem die Börsenindizes bereits wieder stark angestiegen sind, nimmt auch die Zuversicht der Investoren verzögert zu. Einige Unternehmen nutzen die allgemeine Zuversicht und die steigende Aktiennachfrage. Sie realisieren mit dem Verkauf von teuren Aktien einen hohen Erlös.

Die Banken bringen Kapitalnehmer (Unternehmen) und Kapitalgeber (Investoren) zusammen. Sie organisieren den Aktienverkauf und freuen sich ebenfalls, wenn sämtliche zu platzierenden Titeln zu einem stolzen Preis die Hand wechseln. Der Gesamterlös bestimmt die Höhe ihrer Kommission. Ein stolzer Emissionspreis ist jedoch für den Investor keine Win-win-Situation. Mit überbewerteten Aktien müssen die Anleger mit tiefen oder negativen zukünftigen Renditen rechnen. Für die eingegangenen Risiken (Marktrisiko und Risiken der Unternehmung) werden sie ungenügend entschädigt. Mit Aktien von Unternehmen, die frisch an die Börse gehen, müsste der Investor mit einer hohen langfristigen Anlagerendite eigentlich entschädigt werden. Frisch kotierte Aktien sind deutlich riskanter als Aktien von Gesellschaften, die schon lange an der Börse frei handelbar sind. Dem Investor stehen viel weniger unternehmungsspezifische Informationen von IPO Gesellschaften zur Verfügung als von Unternehmen, deren Aktien seit längerer Zeit frei gehandelt sind.

Bei einem Börsengang veröffentlicht die Unternehmung einen Informationsprospekt. Damit wird dem Publikum die Gesellschaft vorgestellt und Details zur Aktienplatzierung bekanntgegeben. Gerade lese ich den Emissionsprospekt von Stadler Rail. Das Werk umfasst 230 Seiten, alles in englischer Sprache und vom Leser werden gute Finanzkenntnisse verlangt. Stadler Rail veröffentlicht mit dem Prospekt die Geschäftsabschlüsse (Erfolgsrechnung, Bilanz, Cashflow) der letzten drei Jahre. Ich gehe davon aus, dass ein Eisenbahnbauer wie Stadler Rail Markt- und Konjunkturzyklen ausgesetzt ist. Zusätzlich bestimmen politische Entscheide den Auftragseingang, die Umsätze und letztendlich auch die Gewinne der Unternehmung mit. Mit diesen exogenen Einflussfaktoren kann man damit rechnen, dass der vergangene Geschäftsverlauf von Stadler Rail bei einer langfristigen Betrachtung volatil war und weiterhin sein wird. Die neuen Aktionäre können anhand von drei Geschäftsabschlüssen jedoch den historischen finanziellen Track Record nicht wirklich beurteilen und somit können sie auch nicht abschätzen, wie stark die zukünftigen Geschäftsergebnisse schwanken werden. Zukünftige Prognosen basieren unter anderem auf historischen Ergebnissen. Anhand von Erreichtem und Erwartetem wird ein Unternehmungswert berechnet und daraus der Emissionspreis einer Aktie ermittelt. Es sind schlichtweg zu wenige relevante historische Informationen trotz umfangreichen Emissionsprospekten bekannt, sodass Aussenstehende diese Unternehmen gut beurteilen und kennen können. Ob die Ausgabepreise der Aktien fair sind oder nicht, kann das Publikum darum nur schwer abschätzen. Das Emissionssyndikat (Investmentbanken) veröffentlicht in der Regel ihre Unternehmungsstudien vor dem Börsengang leider nicht. Dadurch ist es dem Privatanleger nicht möglich, wenigstens die Bewertungsmethoden und Kaufargumente der Analysten kritisch vor dem Kauf begutachten zu können.

Fazit: Die AarauInvest empfiehlt aus diesen Gründen höchst selten Aktien aus Emissionen (IPOs) zu kaufen.

Ich (G. Fedrigoli) habe letzten Montag an der Stadler Rail Unternehmungspräsentation in Zürich teilgenommen. Herr Spuhler und Kollegen aus dem Management stellten ihre Unternehmung vor. Ich hatte einen positiven Eindruck (ein positiver Eindruck nach einer 45 minutigen Präsentation ist für uns zu wenig, um einen fundierten Anlageentscheid zu fällen). Stadler Rail verdient unseren Respekt. Der schweizerische Eisenbahnbauer behauptet sich in Europa in einem hart umkämpften Markt schon seit längerem erfolgreich. Wir werden auf alle Fälle Stadler Rail mit Interesse weiterverfolgen.

AarauInvest AG, 4. April 2019

Unseren Bericht “IPOs – Oft kein Win-win-Geschäft” und unser Kommentar zu Stadler Rail sollten nicht als Aktienkauf-Empfehlung von der AarauInvest AG verstanden werden. Wenn Sie unsere Anlagestrategie unverbindlich kennenlernen möchten, bitten wir Sie, mit uns direkt in Kontakt zu treten. 

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