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Geld und Emotionen
16.01.24 Giovanni Fedrigoli
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Geld und Emotionen
16.01.2024

Geld und Emotionen

Giovanni Fedrigoli
Partner und Mitglied der Geschäftsleitung, VR-Mitglied
Giovanni Fedrigoli

Die meist einfach zu ermittelnden persönlichen Finanzdaten beantworten uns nämlich nicht, wie die zukünftige Vermögensentwicklung die Psyche des Menschen beeinflussen wird.

Für die Erstellung des Anlageprofils und zur Bestimmung der Anlagestrategie werden den Kunden in der Finanzbranche oft vorwiegend Fragen zu Einkommen und Vermögen gestellt. Es ist logisch, dass die Risikofähigkeit auch von der Einkommens- und Vermögenssituation des Kunden abhängt, und darum die Beurteilung dieser Finanzdaten bei der Wahl der Anlagestrategie einen hohen Stellenwert hat. Logisch und vernünftig bedeutet aber noch lange nicht, dass für wohlhabende Personen eine Strategie, bei der das Anlagevermögen früher oder später hohen Schwankungen ausgesetzt sein wird, passt (was z.B. bei Aktienanlagen der Fall ist). Die meist einfach zu ermittelnden persönlichen Finanzdaten beantworten uns nämlich nicht, wie die zukünftige Vermögensentwicklung die Psyche des Menschen beeinflussen wird. Es ist für uns immer wieder eine Herausforderung, den durch Geldfragen beeinflussten Gemütszustand unserer Kundschaft zu kennen. Wie offen werden uns Emotionen und Gefühle mitgeteilt? Es ist wichtig, dass sich jeder selbst kritisch einschätzt und für sich, nebst finanziellen Aspekten, vor der Wahl einer Anlagestrategie auch solche Fragen beantwortet: Bin ich ein emotionaler oder ein nüchterner Mensch? Denke ich eher positiv oder negativ? Habe ich oft Selbstzweifel oder überschätze ich mich immer wieder? Bin ich demütig und will aus Fehlern lernen? Ärgere ich mich über einzelne schlechte Investitionen oder zählt für mich nur der langfristige Wertverlauf meines gesamten Anlagevermögens? Realisiere ich Verluste bei Einzelinvestitionen ohne längere Phase des Bedauerns? Lösen grosse Gewinne euphorisierende Glücksgefühle bei mir aus, die mich antreiben, noch höhere Renditen erzielen zu wollen? Was würden grosse Börsenkorrekturen, durch die mein Anlagevermögen über 15%-30% (je nach Anlagestrategie) an Wert verliert für mich bedeuten, und wie würde ich reagieren? Würde ich in einem solchen Fall die Anlagestrategie ändern? Hätte ich Zukunfts- oder Existenzängste? Würden mich Gewissensbisse plagen? Könnte ich noch gut schlafen?

Schauen wir uns nun ein paar dieser Fragen genauer an und ich erkläre Ihnen, warum sie wichtig sind. Der Gemütszustand und die Reaktionen eines emotionalen Menschen sind durch externe Impulse stärker beeinflusst als bei einer nüchternen Person. Z.B. ein stark steigender oder fallender Aktienkurs oder eine hohe Volatilität des Depotwertes senden Informationen aus, die bei einem emotionalen Menschen eher impulsive Handlungen auslösen, die durch seine Gefühlslage angetrieben werden und nicht durch eine rationale Beurteilung der Unternehmen und deren Aktienbewertungen. Wenn man sich gestresst oder euphorisch fühlt, sollte man sehr zurückhaltend Anlageentscheide treffen.

Ein demütiger Investor ist sich bewusst, dass er vieles nicht wissen kann. Er weiss nicht, wie sich die Börse in den nächsten zwölf Monaten entwickeln wird und wann die nächste grosse Baisse oder Hausse stattfindet. Viele konzentrieren sich auf das, was sie wissen und allgemein bekannt ist, und vernachlässigen das, was sie nicht wissen, sodass sie die Richtigkeit ihrer Überzeugungen überschätzen. Ein demütiger Investor weiss, dass er immer wieder Fehlentscheide treffen wird, er ist jedoch bereit daraus zu lernen. Er weiss auch, dass er nur selten in Aktien investiert sein wird, deren Kurse sich phänomenal entwickeln werden (z.B. verzehnfachen) und darum wird er diese langfristig hervorragenden Unternehmen über viele Jahre als treuer Aktionär begleiten. Er ist sich bewusst, dass auch nicht vorhersehbares Pech und Glück eine wichtige Rolle bei seinen Misserfolgen und Erfolgen spielen.

Die Frage, was ein Rückgang des Anlagevermögens um 30% und mehr mit einem machen wird, wird man erst bei Eintreten dieser Situation wirklich beantworten können. Wer solch starke Börsenkorrekturen schon erlebt hat, ist im Vorteil, sofern er seine damalige emotionale Verfassung noch beurteilen kann. Er weiss, ob es ihn mental und körperlich stark belastete oder nicht und kann entsprechend für zukünftige grosse Rückgänge vorbeugen. Auch die finanziellen Konsequenzen solcher Korrekturen sollte man dringend immer wieder durchdenken: Werde ich bei einer Korrektur des Depotwertes von 30% und mehr gezwungen sein, Kapitalanlagen (Aktien etc.) zu verkaufen, um meinen anstehenden finanziellen Verpflichtungen (Lebenshaltungskosten, Investitionen, Kreditraten, Reserven etc.) nachkommen zu können? Wenn ja, sollte man seine Anlagestrategie ändern und weniger Aktien und mehr Cash oder Bonds halten. Die Aktienmärkte werden sich wie bisher immer wieder von grossen Korrekturen erholen, ungewiss ist jeweils nur, wie lange es dauern wird, bis neue Höchststände erreicht werden. Darum ist für den langfristigen Anlageerfolg entscheidend, dass man immer investiert bleiben kann und nicht mitten in der Börsenbaisse zum Aufgeben gezwungen wird. Dadurch, dass wir hoffentlich nie gezwungen sein werden, die Aktien guter Unternehmen zu verkaufen, ist es wahrscheinlicher, dass sich ihr Wert im Laufe der Zeit exponentiell entwickeln wird. Von diesem wunderbaren Zinseszinseffekt profitiert man nur, wenn der langfristige Anlagehorizont nicht unterbrochen wird.

(Dieser Text ist ein Ausschnitt aus dem AarauInvest Newsletter vom Januar 2024. Den Newsletter finden Sie auf unserer Webseite aarauinvest.ch/blog)

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