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Zu breite Diversifikation, verlockend und brandgefährlich!
25.06.21 Giovanni Fedrigoli
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Diversifikation, was zu beachten ist
25.06.2021

Zu breite Diversifikation, verlockend und brandgefährlich!

Giovanni Fedrigoli
Partner und Mitglied der Geschäftsleitung, VR-Mitglied
Giovanni Fedrigoli

Definieren Sie dringend Ihren Kompetenzkreis und grenzen Sie Ihr Anlageuniversum entsprechend ein.

Ich durfte kürzlich eine Abschlussarbeit mit dem Titel «Die Börse» von drei wiffen Herren der Bezirksschule Aarau gegenlesen und den Inhalt beurteilen. Sie haben Lesenswertes unter anderem über Anlagestrategien, Risikoklassen, Fonds, Aktien, Daytrading, Charts, Aktienbetrüger sowie über neue Themen wie beispielsweise Kryptowährungen und sogar über den Meister seines Fachs, Mr. Warren Buffett, geschrieben. Ich freue mich, wenn vierzehnjährige Burschen den neunzigjährigen Warren Buffett kennen und von den Besten lernen wollen. Ihre Arbeit ist auf jeden Fall gelungen. Nur bei diesem Satz musste ich ihnen unbedingt widersprechen: «Grundsätzlich gilt, je mehr Wertpapiere dein Portfolio hat, desto geringer ist das Risiko.» Ich weiss nicht, ob sie diese Aussage aus Finanzfachbüchern übernommen haben oder ob das ihre eigene Meinung war. Auf jeden Fall ist es eine Empfehlung, die wir öfters antreffen und bei der wir immer resolut widersprechen. Für uns ist klar: Wenn man zu breit und zu stark diversifiziert, werden die Portfoliorisiken zu gross und die zukünftigen Gesamtperformance (Renditen) enttäuschend tief. In unserem Newsletter vom 13. April 2015 verneinte ich die meist gut gemeinte und oft gemachte Empfehlung, man solle möglichst breit diversifizieren, um die Anlagerisiken tief zu halten. Dazu gab ich folgende Erklärung ab: «Nicht selten glauben Anleger ein risikoarmes Portfolio zu haben, indem sie die Risiken auf viele Einzelpositionen und einige Anlagekategorien verteilen. Bei zu vielen Aktienpositionen ist es jedoch schwierig bis unmöglich, die Vielzahl von Unternehmen und Branchen gut zu kennen und sie laufend nach ihrem Zustand und nach ihren Zukunftsperspektiven richtig zu beurteilen». Der Zeitaufwand, seriös sehr viele Gesellschaften und deren Branchen zu verfolgen wird schlichtweg zu gross, wenn man diese Arbeit professionell und minutiös verrichtet. Man verliert die Übersicht und ist überfordert. Zu viele Aktienpositionen und verschiedene Anlagekategorien verringern die Portfoliorisiken nicht, sie erhöhen sie.

Brandgefährlich wird es, wenn Anleger nebst zu vielen Einzelpositionen auch noch in eine Vielzahl von Anlagekategorien investieren. Haben Sie zufälligerweise nebst Aktien und Obligationen auch noch Hedge Funds, Rohstoffe, Immobilienanlageprodukte, strukturierte Produkte, Private Equity und vielleicht sogar wie aktuell in aller Munde auch noch Kryptowährungen in Ihrem Portfolio? Wenn Sie sich mit einer solchen Anlagestrategie sicher und wohl fühlen, sollten Sie sofort ihr Portfolio hinterfragen: Kennen Sie wirklich die Chancen und Risiken all dieser Anlagekategorien und der einzelnen Investments im Detail? Wissen Sie, wo Ihr Geld letztendlich investiert ist? Kennen Sie z.B. bei Ihren Hedge Funds oder Private Equity die Entscheidungsträger und haben Sie eine Ahnung, wo diese ihr Geld angelegt haben? Können Sie die Bonitätsrisiken Ihrer strukturierten Produkte beurteilen? Kennen Sie die Illiquiditätsrisiken Ihrer Immobilienanlagen? Haben Sie gewusst, dass für Rohstoffe und Kryptowährungen ein ungefährer Wert nicht ermittelt werden kann? Rohstoffe (inkl. Edelmetalle) und z.B Bitcoins sind überhaupt nicht bewertbar, sondern hauptsächlich Angebot und Nachfrage bestimmen ihre Preise. Ich könnte Ihnen noch einige wichtige Fragen stellen, die aufzeigen, ob Sie oder ob Ihr Berater die matchentscheidenden Chancen und Risiken Ihrer Anlagen verstehen oder nicht.

Definieren Sie dringend Ihren Kompetenzkreis und grenzen Sie Ihr Anlageuniversum entsprechend ein. Wir alle sind nur Menschen mit einem begrenzten Wissen. Wenn Sie jedoch die Grenzen Ihres Verstandes kennen, habe Sie schon sehr viel gewonnen.

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